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Was bedeutet Residualwertverfahren?

By 22. Februar 2022März 29th, 2022Bewertung von Immobilien

Was versteht man unter Residualwertverfahren?

Bei welcher Art von Immobilie wird das Verfahren zur Residualwertermittlung angewendet? Wo ist es in der Immobilienbewertung geregelt? Wie wird beim Residualwertverfahren im Detail vorgegangen? Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse von Residualwertberechnungen?

Bei welcher Art von Immobilie wird das Verfahren zur Residualwertermittlung angewandt?

Residualwertverfahren wird idR. bei bebauten Liegenschaften verwendet, die einer Umnutzung zugeführt werden sollen (oder dies geprüft werden soll). In der Immobilienbewertung wird sie oft zur Herleitung eines sog. tragfähigen Grundwertes, der vor dem Hintergrund der mit der Liegenschaft verbundenen Umnutzungsmöglichkeit gezahlt werden kann, eingesetzt.

Am Häufigsten wird das Verfahren jedoch von Projektentwicklern und Bauträgern verwendet, um zu überprüfen, ob sich das Projekt lohnt, bzw. welche Variante die lukrativste ist.

Wo ist dieses Verfahren in der Immobilienbewertung geregelt?

Das Residualwertverfahren zählt zu den im Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) in §3 (1) angeführten dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechenden Wertermittlungsverfahren.

Bei sämtlichen anderen, als den in den §§ 4 bis 6 geregelten, wissenschaftlich anerkannten Wertermittlungsverfahren (§ 10. (4) LBG) sind die zugrunde gelegten Umstände darzustellen. Es ist im Gutachten auch auszuführen, in welcher Weise die Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr bei der Bewertung dadurch berücksichtigt wurden.

Dem Stand der Wissenschaft entsprechende und damit anerkannte Wertermittlungsverfahren sind:

Nach welcher Methode der Verkehrswert ermittelt wird, richtet sich nach der Charakteristik der zu bewertenden Liegenschaft, die fachgemäße Wahl hat vom Sachverständigen zu erfolgen (soweit nicht vom Auftraggeber vorgegeben) und ist ausreichend zu begründen.

Die seit Langem auch als Bauträgerkalkulation bekannte Bewertungsmethode ist u.A. in der ÖNORM B 1802-3 Liegenschaftsbewertung Teil 3 näher beschrieben.

Wie wird beim Residualwertverfahren vorgegangen?

Ausgangspunkt ist immer der fiktive Wert einer Liegenschaft, nachdem das Grundstück der beabsichtigten Entwicklung unterzogen wurde (Gross development value, GDV – auch als fiktiver Veräußerungserlös bezeichnet).

Davon abgezogen werden alle mit dem Projekt in Zusammenhang stehenden Kosten (wie z.B. Herstellkosten samt Nebenkosten, Finanzierung, Vermarktung etc.).

Alle ermittelten Werte müssen »marktüblich«, respektive »gewöhnlich« sein, um die Anforderungen einer Verkehrswertermittlung zu erfüllen.

Das Residuum kannn, ausgehend vom Verkehrswert der fertig gestellten Immobilie, je nach Fragestellung und der damit verbundenen Ausgestaltung der Berechnung verschiedene Ergebnisse erzeugen:

  1. Verkehrswert der fertig gestellten Immobilie abzüglich Kosten der Projektentwicklung inkl. Gewinn ergibt Residuum = Maximaler Betrag für den Grundstückskauf oder
  2. Verkehrswert der fertig gestellten Immobilie abzüglich Kosten der Projektentwicklung inkl. Grundstückergibt Residuum = Gewinn des Projektentwicklers.

Wie wird beim Residualwertverfahren zur Ermittlung des tragfähigen Grundstückswertes im Detail vorgegangen?

Der fiktive Veräußerungserlös (Verkaufspreiserwartung) entspricht dem Marktwert der Projektentwicklung am Ende der Projektentwicklungslaufzeit.

Die Ermittlung der fiktiven Verkaufserlöse für Wohnungen und ev. Garagen-Stellplätze soll auf Basis von Vergleichswerten tatsächlich erzielter Verkaufspreise erfolgen, beinhalten jedoch auch gewisse Zukunftserwartungen.

Bei Ertragsobjekten gilt dies sinngemäß für die Auswahl geeigneter marktgerechter Eingangsvariablen (siehe dazu z.B Ertragswert- / DCF-Verfahren).

Kosten der Herstellung samt Nebenkosten sind auf Preisbasis marktüblicher Herstellungskosten zu ermitteln bzw. zu plausibilisieren.

Da Annahmen dazu mit Ertrags- und Vergleichswertüberlegungen verbunden sind, zählt diese Methode zu den Kombinationsverfahren.

Für die Kostenerfassung kann in Anlehnung an ÖNORM B 1801-1 folgende Gliederung verwendet werden:

  • Grunderwerb einschließlich Nebenkosten sowie Grundstücksaufbereitung und Aufschließung (Kostengruppe 0);
  • Bauwerk: Rohbau, Technik, Ausbau (Kostengruppe 1-3);
  • Einrichtung (Kostengruppe 4);
  • Außenanlangen (Kostengruppe 5);
  • Baunebenkosten wie z.B. Honorare, Projektmanagement (Kostengruppe 6-8);
  • Zwischenfinanzierung der Baumaßnahme, Reserven für Unvorhergesehenes, Vermarktung des Projekts und Entwicklungsgewinn (Kostengruppe 9).

Marktanpassung: Der so ermittelte tragfähige Liegenschaftswert ist ausreichend zu plausibilisieren und gegebenenfalls sind weitere Aspekte (sofern diese nicht bereits in der Residualwertermittlung berücksichtigt worden sind) bzw. Anpassungen an die Lage am Immobilienmarkt zu berücksichtigen, um so den Marktwert abzuleiten.

Die Eingangsparameter sind ausgehend von Marktdaten (z.B. Baukosten, Finanzierungskosten) abzuleiten und genau zu dokumentieren. Die Ergebnisse sind in Bezug auf ihre Marktkonformität weiter zu plausibilisieren, etwa durch Kombination mit anderen vorgenannten Verfahren oder durch Anwendung risikoanalytischer Verfahren (Sensitivitätsanalyse, Simulationsmodelle).

Zur Herleitung eines Marktwertes sind zwingend alle Positionen der Residualwertberechnung vom Gutachter einer Drittvergleichsprüfung (Marktabgleich unter Berücksichtigung vertraglicher Vereinbarungen) zu unterziehen.

Wird das Verfahren für die Verkehrswertermittlung angewendet, so erfolgt die Auflösung zum Bodenwert (Vorgangsweise 1). Zentral für die korrekte Anwendung des Verfahrens ist die richtige Berücksichtigung des zeitlichen Anfalls von Zahlungen.

Wie wird die Projektdauer beim Residualwertverfahren berücksichtigt?

Als Projektentwicklungslaufzeit ist die Dauer vom Betrachtungszeitpunkt oder Bewertungsstichtag bis zur fiktiven Veräußerung des betrachteten Projektes, die ein Investor im Rahmen des redlichen Geschäftsverkehrs ansetzen würde, zu betrachten.

Neben der Bauzeit werden auch Wartezeiten für die Vorhaltung des Grundstücks, Genehmigung des Bauvorhabens sowie gegebenenfalls Leerstandszeiten nach Fertigstellung des Projektes (letztere nur wenn keine Berücksichtigung des vorhandenen Leerstands im fiktiven Veräußerungserlös erfolgte) berücksichtigt.

Der Zinssatz für die Zwischenfinanzierung (also Aufzinsung) orientiert sich an typischen gewichteten Kapitalkosten (aus Eigen- und Fremdkapitaleinsatz) bei derartigen Objekten bzw. Projektentwicklungen. Hierbei ist auf die individuelle Risikostruktur des Projektes entsprechend Rücksicht zu nehmen.

Zu den Baunebenkosten zählen Honorare der Sonderfachleute. Hierunter fallen z.B. Statiker, Örtliche Bauaufsicht, Architekt, Bauphysiker, Bauverwaltung.

Das Honorar des Bauträgers bzw. Projektentwicklers entspricht in der Regel dem Entwicklergewinn. Der mit einer Projektentwicklung erwirtschaftete Gewinn ist erläuterungsbedürftig. Dieser bezieht sich bei einfachen Überschlagsrechnungen im Regelfall auf den fiktiven Veräußerungserlös, kann sich aber auch auf die Gesamtinvestitionskosten beziehen.

Wichtig ist jedoch das Verständnis, dass der Projektentwickler in der Praxis an mehreren »Fronten« Wertschöpfungspotenziale erwirtschaften kann.

Die Erlöspotenziale umfassen neben dem Entwicklungsgewinn im Allgemeinen folgende Positionen:

  • Risikoadäquate Verzinsung des in der Zwischenfinanzierung enthaltenen Eigenkapitals,
  • Anteil an den Vergütungen, die im Rahmen der Projektmanagementtätigkeit oder für die Erstellung der Machbarkeitsstudie in Rechnung gestellt werden können,
  • Anteil an den Provisionen für die Vermarktung, wenn diese in eigener Regie wahrgenommen werden (ggf. über eine Tochtergesellschaft),
  • zusätzlicher Handelsgewinn für die Vergütung des unternehmerischen Risikos.

Welchen Einfluss haben Vermarktung und Erwerbsnebenkosten?

Das Budget für die Vermarktung kann einerseits für externe Makler oder für die Vermarktung der Objekte durch eigene Mitarbeiter verwendet werden. Zu den Vermarktungskosten zählen auch Inserate, Bautafeln, eigene Projekthomepage und Kampagnen für das Projekt.

Je nach Projektart und angenommener fiktiven Verwertung muss die Umsatzsteuer als Kostenfaktor entsprechend berücksichtigt werden bzw. kann gegebenenfalls außer Acht gelassen werden. Es sind hier jeweils die gültigen gesetzlichen Regelungen zu beachten. Die konkrete Behandlung der Umsatzsteuer ist zu kommentieren und darzustellen.

Das vorläufige Residuum, welches in den Berechnungen dem Ergebnis nach Entwicklung entspricht, wird auf die Entwicklungszeit abgezinst. Durch Diskontierung mit dem Finanzierungszinssatz wird der Betrag errechnet, der am Ankaufstag bereitgehalten werden muss.

Zu den Erwerbsnebenkosten zählen Kosten, die im Zuge von Eigentumsübertragungen von Immobilien oder Projektgesellschaften anfallen. Die Erwerbsnebenkosten umfassen sämtliche im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblicherweise aufzuwendende Nebenkosten wie beispielsweise Vertragserrichtungskosten (Notar und dgl.), grundstücksbezogene Steuern (Grunderwerbssteuer und dgl.), sonstige öffentliche Abgaben (Grundbuchseintragungsgebühren und dgl.) und sonstige Transaktionskosten (juristische Beratung, Due Diligence Kosten, Maklergebühren und dgl.).

Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse der Residualwertmethode?

Das Verfahren birgt die Herausforderung, die getroffenen Annahmen nachvollziehbar darzustellen und zu erläutern. Diese umfassen unter anderem:

  • Klare Herleitung von Kostenansätzen und Benennung der Informationsquellen,
  • ausführliche Darlegung des Baufortschrittes und Begründung der angemessenen Projektlaufzeit,
  • Beschreibung der verwendeten Pläne in Bezug auf das zu errichtende Objekt,
  • Offenlegung und Diskussion der Risiken,

Die Anwendung dieser Methode ist sehr heikel, da minimale Änderungen in den Eingangsvariablen Verkehrswert und Herstellkosten, verhältnismäßig große Auswirkungen im Residuum nach sich ziehen. Daher wird empfohlen, diese Methode sehr verantwortungsbewusst zu verwenden (setzt viel Erfahrung und Marktkenntnis voraus) und jedenfalls einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.

Beispiel für die Sensitivität der Residualwertmethode:

In der ÖNORM B 1802-3 ist folgendes Beispiel für die Wirkung von Parameteränderungen (hier z.B. Veränderung des fiktiven Veräußerungserlöses) angeführt:

Bei einem fiktiven Veräußerungserlös E von (vereinfacht) „100“ und bei Gesamtinvestitionskosten K inklusive Projektentwicklergewinn von „70“ ergibt sich ein Residuum R (= tragfähiger Liegenschaftswert) von „30“
(100 Erlöse minus 70 Kosten = 30 tragfähiger Liegenschaftswert).

Wenn nun der fiktive Veräußerungserlös lediglich um 10% (A) oder 15% (B) höher ist bzw. höher eingeschätzt wird – dann erhöht sich das Ergebnis um 33% bzw. um 50%.

(A): 100E + 10% = 110E – 70K = 40R, daraus folgt: tragfähiger Liegenschaftswert = 33% höher bzw.

(B): 100E + 15% = 115E – 70K = 45R, daraus folgt: tragfähiger Liegenschaftswert = 50% höher

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